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Mobbing hat viele Gesichter: Ein Fall aus Österreich.

16. Sep 2021

Klagenfurt am 28.7.2021. Unter dem Aktenzeichen 32 Cga 58/18t-86 findet der 8. Verhandlungstag einer Kündigungsanfechtungsklage (in Deutschland Kündigungsschutzklage) vor dem Landesgericht Klagenfurt (vollständige Bezeichnung: Landesgericht Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht, Abteilung 32) statt. Klägerin Prof. Dr. Heike Egner, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Riedl aus Wien, klagt gegen die Universität, diese vertreten durch Rektor Oliver Vitouch, diese vertreten durch Moser Mutz Rechtsanwälte. Der Entlassung (österreichische Entsprechung der außerordentlichen Kündigung) lagen anonym gegen die Klägerin erhobene Vorwürfe zugrunde. Ihr Verhalten gegenüber Studierenden und Mitarbeitern soll persönlichkeitsverletzenden Charakter gehabt haben.

An diesem 8. Verhandlungstag werden vier von der Universität benannte Zeugen zum Sachverhalt vernommen, der ehemalige Vizerektor, ein damals der Klägerin unterstellter wissenschaftlicher Mitarbeiter, eine schon 2012 aus der Universität ausgeschiedene Institutssekretärin sowie ein amtierender Professor. Substantiierte Vorwürfe kann keiner der vier Zeugen schildern.

Mobbing hat viele Gesichter. In der freien Wirtschaft ist es weit verbreiteter Brauch, ungeliebte Arbeitnehmer mittels ungerechtfertigter Abmahnungen oder Kündigungen zu zermürben. Im Staatsdienst wiederum scheint das Kaltstellen,
auch Straining genannt, bevorzugt zu werden. Hierbei entzieht man dem Mobbingopfer die Aufgaben. An Universitäten scheint sich nun noch ein weiteres Mobbinginstrument zu etablieren. Der Vorwurf des Mobbings als Mobbinghandlung. Möglich wird diese Mobbingvariante durch die anonyme Erhebung der Vorwürfe. Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland sind Universitäten aufgrund der Universitätsgesetze und der hierauf fußenden Satzungen zur Einrichtung von Ombudsstellen verpflichtet. Diese bieten im Rahmen ihrer Tätigkeit auch Konfliktsprechstunden für Studierende und Mitarbeitende an. Beschwerden gegen Lehrende können dort anonym erhoben werden. Eigentlich eine begrüßenswerte Einrichtung. Denn fast immer haben die Lehrenden eine höhere Machtposition als die Lernenden, die einfachen Mitarbeiter einen schwierigeren Stand als die ranghöheren. Ein niedrigschwelliges Angebot des Konfliktmanagements fördert also grundsätzlich die Konfliktlösung. Der Schutz der Anonymität ist in manchen Fällen auch hilfreich. Die Möglichkeit einer anonymisierten Beschwerde hat aber ihre Tücken.

Denn sie eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten gegen unliebsame Lehrende. Jedenfalls in Fällen, wo sie zur vorgeschobenen Begründung dienstrechtlicher Maßnahmen dienen. Den anonym des Mobbings Beschuldigten wird in solchen Fällen die Möglichkeit zur Stellungnahme genommen. Fatal für zu Unrecht Beschuldigte – denn selbstverständlich können auch anonyme Vorwürfe der Wahrheit entsprechen. Ob das so ist, klärt im besten Fall die Beweisaufnahme. Doch in Konfliktfällen sind direkte Zeugen eher die Ausnahme. Das Problem sind also die Beweisregeln und somit die Beweislage. Auch in Österreich muss zivilprozessual jeder diejenigen Tatsachen beweisen, die zu seinen Gunsten wirken. Der kündigende Arbeitgeber muss das Vorliegen der Kündigungsgründe beweisen. Wer Schadensersatz geltend macht, muss über Schädigungshandlung, Verschulden (in Österreich § 1295 ABGB), Schaden und Kausalität Beweis führen. Die Trauben für diese Beweisführung hängen, zumindest im deutschsprachigen Raum, hoch. Aus den Beweisregeln folgt deshalb das zwingende Erfordernis eines sensiblen Umgangs mit anonym erhobenen Vorwürfen. Niemals dürfen diese als beweisgeeignet für eine Kündigung gewertet werden. Erweisen sich bei
dieser Maxime die Konfliktsprechstunden der Ombudsstellen als zahnloser Tiger? Mitnichten. Wer Ansprüche geltend machen will, muss Ross und Reiter benennen, so schwer das wahren Opfern von Mobbinghandlungen auch fallen mag.

In die Waagschale fallen nämlich ebenso die Rechte der Beschuldigten. Diese bestehen im Anspruch, sich rechtzeitig anwaltlichen Beistand suchen zu können und geeignete Stellungnahmen zu den Vorwürfen abgeben zu können. Das Konfliktmanagement muss demnach so ausgestaltet werden, dass die Rechte beider Parteien gewahrt werden. Andernfalls drohen unbillige Folgen für zu Unrecht Beschuldigte.

Für die Klägerin im Verfahren vor dem Klagenfurter Gericht ist das die Entlassung. Die Zeugenvernehmung des Universitätspersonals am 8. Verhandlungstag wirkt unergiebig. Aus keiner der Zeugenaussagen könnte man redlich einen Entlassungsgrund zu Lasten der Klägerin ableiten. Datum, Uhrzeit, Sachverhalt – da ist nichts Konkretes. Dem ehemaligen Vizerektor wird vorgehalten, es sollen mehrere Personen beim Betriebsrat über Gesundheitsbeschwerden geklagt haben. Der Klägeranwalt hakt nach, wer das denn gewesen sei und erhält zur Antwort: „Ich habe nachgefragt, aber keine Antwort bekommen. Datenschutz.“ Der zweite Zeuge hatte sich durch die Worte der Klägerin: „Was machen Sie den ganzen Tag?“, angegriffen gefühlt. Die ehemalige Institutssekretärin gibt an, von sich aus gekündigt zu haben, weil sie es mit der Klägerin nicht mehr ausgehalten habe. Als nun der Vorsitzende nachhakt: „Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt den Betriebsrat kontaktiert?“, verneint sie und fügt hinzu: „Ich habe versucht, das Ganze auszuhalten.“ Der letzte Zeuge war kurz vor der Entlassung der Klägerin an die Universität berufen worden. Er spricht von Meinungsverschiedenheiten über die Institutsorganisation. Das allein darf aber nicht der Maßstab sein. Denn Wissenschaft lebt vom konstruktiven Diskurs. Für die Autorin entsteht während des Verhandlungstages der Eindruck, als seien vom Gericht unzulässige Ausforschungsbeweise erhoben worden. Der vorsitzende Richter möchte seinen Namen nicht veröffentlicht lesen. Beklagte und Beklagtenvertreter verweigern auf Nachfrage eine Stellungnahme, da das Verfahren noch läuft. Eine weitere Zeugenbefragung wird für notwendig erachtet und erfolgt in Kürze im Wege der Amtshilfe durch Deutschland. Wann das Gericht seine Entscheidung fällt, steht also noch nicht fest.

 

Dieser Artikel von mir wurde in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, Ausgabe September 2021, veröffentlicht.
Hier der Artikel im Original als pdf-Dokument.

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